Schweizer Wasserkraft hat eine Zukunft, wenn ...
Kraftwerksbetreiber müssen sich den neuen Marktrealitäten stellen und ihre Investitionen flexibler planen.
Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms "Energiewende" (NFP 70) untersuchten Forschende aus Basel, Chur, Genf, Siders und Winterthur, wie die Wasserkraft trotz ökonomischen und ökologischen Drucks ausgebaut und langfristig rentabel bleiben kann. Dafür müssen sich die Kraftwerksbetreiber den neuen Marktrealitäten stellen und ihre Investitionen flexibler planen. Zudem muss ein systematischer Ausgleich der Interessen aller beteiligten Parteien erzielt werden. Dies gilt insbesondere für die künftige Ausgestaltung des Wasserzinssystems.
Als Folge tiefer Stromgrosshandelspreise kam die Schweizer Wasserkraft in den letzten Jahren nicht aus den Schlagzeilen. Eigentümer dachten sogar laut über den Verkauf von Anlagen nach und setzten zusätzliche Subventionen durch. "Die Schweizer Wasserkraft hat nach einer grossen Vergangenheit auch in einem anhaltend schwierigen Marktumfeld eine Zukunft und kann auf eigenen Füssen stehen, wenn sie sich auf diese vorbereitet, flexibler investiert wird und Ansprüche zwischen den verschiedenen Interessengruppen systematisch ausgeglichen werden", fasst Prof. Hannes Weigt von der Universität Basel die Ergebnisse zusammen.
Mehr Flexibilität bei schwankenden Preisen und langfristigen Entscheiden
Da die Schweiz die globalen Energiepreise und das europäische Emissionshandelssystem kaum beeinflussen kann, müssen sich Betreiber von Wasserkraftwerken auch künftig auf Preisschwankungen einstellen. Ein flexiblerer Betrieb für optimierte Handelsstrategien lässt jedoch lediglich ein zusätzliches Umsatzpotenzial in einer Spanne von 10 bis 25 Prozent erwarten. Das dürfte zwar für die Kostendeckung im Bereich von Strompreisen zwischen 40 und 60 CHF/MWh entscheidend sein, jedoch nicht ausreichen, wenn die Preise über längere Zeiträume darunter liegen.
Bedeutsamer sind in einem unsicheren, zunehmend konkurrenzgeprägten Marktumfeld flexible Investitionsentscheide. Investoren von Wasserkraftprojekten sollten nach dem Motto "gross denken, klein beginnen" zunächst kleine Installationen durchführen und sich Optionen für spätere Ausbauten offenhalten, empfehlen die Forschenden.
Mehr als Energie
Die Wasserkraft steht in einem Spannungsfeld aus Ansprüchen: den Gewinnzielen der Investoren, den Energiezielen des Bundes, den kantonalen und lokalen Budgetzielen, den regionalen Entwicklungszielen sowie den nationalen und internationalen Vorschriften. Das Forscherteam kommt zu dem Schluss, dass sich nur mit einer umfassenden Nachhaltigkeitsbewertung widerstreitende Interessen auflösen lassen und der "soziale Nettobarwert" von Wasserkraftprojekten ermittelt werden kann. Das braucht es, damit die Wasserkraft auch in einem unsicheren Marktumfeld positiv bewertet wird und Akzeptanz findet.
Fix oder variabel? Schicksalsfrage Wasserzins
Die Forschenden untersuchten in einer weiteren Studie zwei zentrale Aspekte für die auf 2024 vertagte Revision des Wasserzinssystems: 1) potenzielle Verschiebungen der Finanzströme von Unternehmen an Kantone und Gemeinden bei einem Wasserzinssystem mit fixen und variablen Teilen; 2) langfristige Auswirkungen von Wasserzinsen auf Kantons- und Regionalebene sowie auf die anstehende Erneuerung von Konzessionen.
Weigt fasst die Ergebnisse zusammen: "Unsere Analyse der Nettogewinne bei unterschiedlichen Marktentwicklungen und Wasserabgabesystemen zeigt, dass die Marktpreisentwicklungen die Auswirkungen der Wasserzinsen häufig dominieren. Die Wasserzinsgestaltung ist vorwiegend für eine Teilmenge von Unternehmen und innerhalb einer Strommarktpreisspanne von rund 40 bis 60 CHF/MWh relevant, in der die Auswirkungen der Zinsen einen Unterschied zwischen Gewinn und Verlust sowie Investition und keiner Investition machen können."
Dieser Konflikt zwischen zahlenden und empfangenden Parteien wird nur in einem partizipativen Verfahren unter Einbindung aller Akteure lösbar sein. Wie bei der anstehenden Konzessionserneuerung braucht es Anpassungen des Wasserzinssystems, um der Marktunsicherheit zu begegnen und die Wasserkraft konkurrenzfähig mit anderen Energie- und Speicheranbietern zu machen. Dabei müssen neue Marktkomponenten und die Auswirkungen einer vollständigen Liberalisierung berücksichtigt werden. "Fünf Jahre scheinen viel Zeit zu sein, um all diese Fragen zu klären. Aber die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass es ein zielstrebigeres Vorgehen braucht", mahnt Weigt.
- Projektschlussbericht "The Future of Swiss Hydropower: Realities, Options and Open Questions" (Englisch, März 2019)
- Weiterführende Informationen
- "Die Schweizer Wasserkraft muss noch flexibler werden"; Interview mit Prof. Hannes Weigt